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Hashimoto-Thyreoiditis

Angriff auf die Schilddrüse

15.03.2017  10:12 Uhr

Von Nicole Schuster / Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Autoimmunkrankheit, die sich als chronische Entzündung der Schilddrüse äußert. Bei zunehmender Schädigung führt dies zu einer Unterfunktion und der Hormonmangel muss medikamentös ausgeglichen werden. Besondere Vorsicht gilt in der Schwangerschaft.

Bei der Hashimoto-Thyreoiditis, auch als Autoimmunthyreoiditis bezeichnet, wird die Schilddrüse durch Antikörper angegriffen, wodurch diese entzündet ist. Die Ursachen für die nach dem japanischen Arzt und Erstbeschreiber Hakaru Hashimoto benannten Krankheit sind nicht genau bekannt. Wissenschaftler vermuten eine Kombination aus genetischer Prädisposition und Einflüssen aus der Umwelt. »Als Auslöser könnten bakterielle oder virale Infektionen fungieren, die das Immunstem durcheinander bringen. In der Folge richtet es sich gegen körpereigene Gewebe, etwa das der Schilddrüse«, berichtet Professor Dr. Matthias M. Weber, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten an der Universitätsmedizin der Johannes-­Gutenberg-Universität in Mainz, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. Weiterhin werden Stress und eine Iod­überversorgung als auslösende Faktoren diskutiert. Die Hashimoto-Thyreoiditis fällt oft mit anderen Autoimmunkrankheiten wie Diabetes mellitus Typ I, Morbus Addison oder der Weißfleckenkrankheit (Vitiligo) zusammen.

 

Symptome können an die Wechseljahre erinnern

In Deutschland sind Schätzungen zufolge etwa acht Millionen Menschen von dieser häufigsten Form der Schilddrüsenentzündung betroffen, wobei Frauen Experten zufolge bis zu 90 Prozent der Patienten ausmachen. Die meisten erkranken zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr, beim weiblichen Geschlecht beginnt die Krankheit oft mit den Wechseljahren. Die Hashimoto-Thyreoiditis gilt als häufigste Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion. Das Organ bildet zu geringe Mengen der Schilddrüsenhormone Tetraiodthyronin (T4) und Triiodthyronin (T3, siehe Kasten).

 

Anfangs eine Überfunktion

 

Zu Krankheitsbeginn können sich allerdings in Einzelfällen Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) zeigen. Diese entstehen, weil das entzündete Follikelgewebe zugrunde geht, wodurch die darin gespeicherten Hormone schlagartig freigesetzt werden. Sind die Vorräte erschöpft und ist die geschädigte Drüse nicht mehr in der Lage, ausreichend neue Hormone herzustellen, entsteht ein Mangel im Körper. Die Folgen einer solchen Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) machen sich sowohl körperlich als auch psychisch bemerkbar. Häufig treten eine Gewichtszunahme, Obstipation, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, trockenes Haar und trockene Haut, Haarausfall, Frieren und eine depressive Stimmungslage auf. Patienten klagen mitunter auch über Heiserkeit, Schwellungen an den Extremitäten und einen niedrigen Puls. Bei vielen Frauen im gebärfähigen Alter gerät der Zyklus durcheinander und ein möglicher Kinderwunsch kann unerfüllt bleiben.

 

Häufig ein Zufallsbefund

 

Ärzte entdecken die Schilddrüsen­erkrankung oft zufällig. »Da die entzündlichen Veränderungen schmerzfrei verlaufen, bemerken Patienten sie nicht direkt«, berichtet der Experte von der DGE. Frauen in einem Alter, in dem wechseljahresbedingt Beschwerden wie eine Gewichtszunahme, depressive Stimmungslage oder Müdigkeit auftreten können, denken zudem bei entsprechenden Symptomen oft nicht an die Schilddrüse. Aufschluss darüber, ob mit dem Organ alles stimmt, gibt eine Blutuntersuchung. Die Werte an freiem T3 und T4 bewegen sich allerdings vor allem zu Beginn der Erkrankung noch im Normalbereich. Ein besserer Indikator für die aktuelle Hormonsituation im Körper ist der Spiegel des Thyreoidea Stimulierenden Hormons (TSH), das die Freisetzung von T3 und T4 steuert. Die Hypophyse schüttet das Hormon verstärkt aus, wenn zu wenig Schilddrüsenhormone im Blut sind.

Die Schilddrüse

Das schmetterlingsförmige Organ unterhalb des Kehlkopfes umschließt mit seinen zwei Drüsenlappen die Luftröhre. Um die lebenswichtigen Hormone Tetraiodthyronin (Thyroxin, T4) und Triiodthyronin (T3) zu bilden, benötigt die Schilddrüse das Spurenelement Iod. Auf Vorrat produzierte Botenstoffe speichert sie in ihren Follikeln. Die Freisetzung da­raus steuert das Thyreoidea Stimulierende Hormon (TSH) aus der Hypophyse. Im Blut liegen T3 und T4 zum größten Teil proteingebunden vor. Nur etwa 1 Prozent der Hormone ist in der funktionsfähigen, freien Form (fT3 und fT4) vorhanden. T3, das außerhalb der Schilddrüse durch enzymatische Umwandlung aus T4 entsteht, ist um ein Vielfaches stärker wirksam als T3. Die Hormone regeln unter anderem den Stoffwechsel, fördern die körperliche Entwicklung und beeinflussen die Psyche.

Bei der Hashimoto-Thyreoiditis zeigen Laboranalysen auch häufig angestiegene Spiegel an bestimmten Antikörpern. Etwa neun von zehn Patienten weisen eine über den Normbereich hinausgehende Menge an Thyreoperoxidase-Antikörpern (TPO-Antikörper, TPO-AK) auf. Sie richten sich gegen die Schilddrüsenperoxidase, die an der Hormonproduktion beteiligt ist. Bei bis zu 70 Prozent der Betroffenen ist der Wert an Thyreoglobulin-Antikörpern (Tg-AK, T-AK) erhöht. Bei Thyreoglobulin handelt es sich um die Speicherform der Schild­drüsenhormone. Bei einer Ultraschalluntersuchung untersucht der Arzt Struktur und Größe des Organs und kann Entzündungszeichen sowie Gewebsschäden erkennen. Weitere mögliche Untersuchungen wie eine Biopsie dienen dazu, andere Krankheiten wie Tumoren auszuschließen.

 

Hormone substituieren

 

Eine ursächliche Heilung der Autoimmunkrankheit gibt es nicht. Patienten, die zu wenige Schilddrüsenhormone produzieren, müssen T4 in Form von Levothyroxin (L-Thyroxin) in geeigneter Dosierung einnehmen. Der beste Einnahmezeitpunkt ist morgens auf nüchternem Magen. Der Endokrinologe prüft durch regelmäßige Blutuntersuchungen, ob die individuelle Dosierung noch passt. Oft steigt der Arzt mit einer eher niedrigen Dosierung ein und steigert die Hormonmenge dann, bis der Patient mit einem TSH-Wert im unteren Normbereich um 1,0 μU/ml optimal eingestellt ist. Schilddrüsenhormon-Präparate gehören zu den wenigen Arzneimitteln, bei denen ein Wechsel auf ein vergleichbares Medikament vermieden werden sollte. Auch bei gleicher deklarierter Dosierung ist sonst in der Regel eine neue Einstellung erforderlich.

 

Vorsicht bei Schwangeren

Besondere Vorsicht gilt bei Frauen mit Kinderwunsch. »Sie sollten sich bereits vor einer Schwangerschaft bei einem Endokrinologen vorstellen, um möglichen Komplikationen vorzubeugen«, sagt Weber. Bei falscher Einstellung drohen Schädigungen des Kindes oder Frühwehen. Zudem ist das Fehlgeburtsrisiko bei betroffenen Frauen um das Dreifache erhöht. »Der behandelnde Arzt sollte darauf achten, dass die Hormondosis jederzeit an die Bedürfnisse der Schwangeren angepasst ist und nicht zu niedrig ausfällt«, erklärt der Mediziner. Oft erhalten werdende Mütter eine um etwa 25 bis 50 Prozent erhöhte Menge an Levothyroxin. Wichtig für eine gesunde kindliche Entwicklung ist zudem eine ausreichende Iodversorgung.

 

Einige Frauen entwickeln erst nach der Schwangerschaft eine Entzündung der Schilddrüse. »Die postpartale Thyreoiditis ist eine besondere Variante der Hashimoto-Thyreoiditis und äußert sich zu Beginn oft mit Symptomen einer Überfunktion«, so Weber. Diese initiale hyperthyreote Phase kann sich mit Symptomen wie Nervosität, Unruhe, Zittern, Müdigkeit oder Herzklopfen äußern. Danach kommt es zur charakteristischen Unterfunktion mit entsprechenden Beschwerden. Die Post-partum-Thyreoiditis kann sich wieder spontan zurückbilden, in anderen Fällen bleibt die Störung dauerhaft bestehen. Als Ursache wird vermutet, dass Immunprozesse während der Schwangerschaft unterdrückt werden und es danach zu überschießenden Reaktionen kommen kann. In dieser Zeit besteht ein erhöhtes Risiko für Autoimmunkrankheiten. /

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